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Antoine TISNÉ

Musikalisches Schaffen ist für Antoine Tisné ein unverzichtbares Lebenselixier und lässt ihn seine Zugehörigkeit zur Welt spüren. Ganz gleich, ob er die Welt betrachtet, auskundschaftet oder hinterfragt, seine Empfindungen, Annäherungen und Zweifel gießt er in eine musikalische Form, über die er auf intime Weise mit dem Kosmos kommuniziert.
Ist der verborgene Mensch zu erahnen?
Das unbändige Werk?
Dieses Werk, das verzaubert, wenn man es entdeckt:
reine Dauer, kontrastierende Klangmassen,
Rhythmen,
Akzente.
So verblüffend und spannend, wenn man es durchdringt:
Ist es erzählerisch oder symbolisch?
Episch oder gar besinnlich?
Dies Werk zu hören, wie man der Welt zuhört, kann Ängste wecken oder zu Überschwang hinreißen.
Von seinen zahlreichen Reisen nach Griechenland, Afghanistan, Spanien, Kenia oder Indien brachte Tisné immer neue Werke zurück, die freilich an die besuchten Orte erinnern, die eigentliche Inspiration aber aus deren Mythen oder Seele holen.
Langsam über die Jahre 1972 bis 1975 herangereift, verschmelzen in der Komposition Célébration I mit ihrer spirituellen Prägung mystische Anklänge an den Berg Athos mit der azurnen Reinheit der Seenkette Band-i-Amir.
Seine Strudel aus Tongeflechten,
von Glöckchengebimmel und gellenden Tönen durchwirkt,
verketten sich ins Unendliche, wie Gebete.
An anderer Stelle heiligt die Psalmodie die Stunden des langen Gedächtnisses: Die von den Streichern geflochtenen Responsorien in Séquence pour un rituel (1968) spiegeln die magischen Schichtungen Mexikos wider.
Invocations pour Ellora, das Tisné 1969 nach seiner Rückkehr aus Indien komponierte, oder Music for Stonehenge (1975) sind so faszinierend und verwirrend wie die Orte, die ihn zu dieser Musik inspiriert haben. Seltsam berührt einen die Vielstimmigkeit von Klarinette oder Saxophon, die in ihrer ganzen Fülle (Klangvolumen, Stimmlage, Multiphonie) oder in ihrer Zerrissenheit (flat, Scheinresonanzen usw.) behandelt werden.
Allenthalben ist der Blick des Beobachters mit der Besinnlichkeit des Schauenden unterlegt. Die Methode des Komponisten strukturiert die Einbildungskraft der Intuition.
Einerseits liefert ihm die Malerei, deren Unmittelbarkeit und Dauerhaftigkeit er schätzt, so manche Kompositionsregeln: für die räumliche Ausgeglichenheit, den Gegensatz der Klangmassen, den anziehenden Mittelpunkt. In den Partituren, die sie ihm eingibt, verleiht sie ihm die Prägnanz der Kombinationen, die Bewegtheit der Rhythmen, die innere Spannung, wie in Études d’après Goya (1966), Les muses inquiètantes (1976) oder Cimaises (1967).
Andererseits gewährt ihm die Dichtung, deren Wahrheiten und Geheimnisse er goutiert, den Zugang zu den geheimen Quellen der Bilder und Symbole. Nicht wenige Dichter (Rilke, Baudelaire und für das 20. Jahrhundert Cendrars, Char, Daumal, Reverdy, Masson, Niemann …) haben ihn zu musikalischen Illustrationen oder Transpositionen inspiriert. So entstanden Lieder, ein lyrisches Gedicht und Kammermusik, die einen Sprecher einbeziehen.
Die moderne Sage von Bocéphal (ein Gedicht von David Niemann) hat Tisné sehr berührt, und er leitet die Essenz einer musikalischen Symbolik daraus ab. Klangfiguren,
Anhaltspunkte für Leerlauf, Folter oder Licht,
interpunktieren und rhythmisieren diese erzählende, von den Beklemmungen des Menschen durchdrungene Suite.
Tisné verwahrt sich dagegen, der „reinen“ Musik eine Dramaturgie vorzuenthalten, deren Regungen spürbar an der Schwelle seines Bewusstseins rütteln.
Mit einem weiten Feld der Erschrockenheit im Konzert für Violoncello,
einem beklemmenden oder melancholischen Muster im Konzert für Viola,
bildlichen Anweisungen für sinfonische Sätze
werden musikalische Genres emotional angereichert, die zunächst ihre klangliche Stofflichkeit zugestehen. Darum verwirft er sie noch lange nicht und kultiviert in den Klangbeziehungen,
dem Spiel mit den Klangfarben und der Virtuosität,
dem Gleichgewicht von Ordnung und Zufall
die Freuden des souveränen Gestalters.
Um ihren Kodex zu verinnerlichen (vielleicht auch zur Zähmung einer angeborenen Expressivität), musste Antoine Tisné seine musikalische Sprache erst einmal den strengen Regeln der seriellen Technik unterwerfen. Vor etwa zehn Jahren hat er sich dann davon losgesagt im Vertrauen auf die Großzügigkeit eines musikalischen Atems, dem systematische, restriktive Zensuren Zügel anzulegen drohten. Im Kern geht es aber nach wie vor um das Schöpferische. Denn das musikalische Schaffen, ja das künstlerische Schaffen ganz allgemein, ist vielleicht die menschliche Antwort auf die geheimnisvolle Dynamik des Kosmos.
Kreisende Impulse, farbige Staubwölkchen, raumdurchstreifende Funken beseelen Antoine Tisnés Werk und besonders die Kompositionen, die seine Vorstellung des Kosmos wiedergeben: Cosmogonies (1967), Sidérales (1970), Pulsars éclatés (1971), Stellae Boralis (1974). Sie spiegeln ein metaphysisches Denken wider, das wissenschaftliche Entdeckungen beflügelt, dem Besinnlichkeit neue Nahrung gibt und das musikalisches Schaffen mit all seinen Qualen und Überzeugungen herausfordert.


Pierrette Germain

Werke, die komponiert wurden von Antoine TISNÉ

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Diskografie


1968

1) Sonate pour piano
2) Epigraphe pour une stèle pour piano
Piano : Claude Bonneton
Erato STU. 70464

1969

Concerto pour flûte et orchestre à cordes
Flûte : Jean Pierre Rampal
Orchestre de Chambre de l’O.R.T.F. - dir. : André Girard.
Erato - O.R.T.F. STU 70480

1970

Hommage à Calder
Stabile Mobile
Clavecin : Elisabeth Chojnacka
Philips : Prospectives du XXIe siècle / Gravure Universelle 6526.009

1971

Luminescences pour orgue
Orgue : Jean Guillou
Philips Trésor Classique / Super Artistique 6504-039

1973

Sonate pour violon et piano
Violon : Adèle Auriol
Piano : Bernard Fauchet.
Calumet 3732 / Calumet - Musi cassette 2732

1974

Alliages
Quatuor de saxophones
C.B.S. Sony (Tokyo) / Stéréo 2400

1975

Osiriaques
Harpe celtique : Denise Mégevand
S.F.P. / F.P.9. 1054

1977

Music for Sonehenge, pour saxophone alto et piano
Saxophone : Claude Delangle
Piano : Odile Delangle
R.E.M. 10864

1980 Héraldiques, pour trompette et piano
Trompette : Pierre Thibaud
Piano : Ichiro Nodaïra
Arion C.B. 331
A.R.N. 38606

1983

Espaces irradiés, pour saxophone alto et piano
Saxophone : Claude Héraud
Piano : Roger Muraro
R.E.M. 10894 X 4

1984

1) Héraldiques, pour trompette et piano
Trompette : Hakan Hardenberger
Piano : Roland Pöntiner
D.M.M. (R.F.A.) / L.P. 287 Stéréo

2) Soliloques
Basson : Arthur Grossmann
Crystal Record (U.S.A.) / Recital Series Stéréo S. 342

3) Bocéphal, pour 2 pianos et récitant
Texte de David Niemann
Pianos : Marie-Claude Chevalier et Xavier Givelet
Récitant : Benoît Alemane
Cybélia Cy.671

4) Musique en trio
Violon : Josette Roux Manzoni
Violoncelle : Michel Marchesini
Piano : Marie-Claude Chevalier
Cybelia 671


5) Après...
Clarinette : Gabriel Sauvaire
Harpe : Catherine de Preissac
Cybélia 668

1985

Ombra Veneziana, pour 2 guitares
Guitares : Jean Horreaux et Jean-Marie Tréhard
Calliope Cal. 1663

1986

Soleils Noirs
Piano : Geneviève Ibanez
R.E.M. 11009 XM

1987

1) Espaces irradiés (extraits)
Saxophone alto : Jean-Michel Goury
Piano : Yves Josset

2) Vision des temps immémoriaux
Trio Deslogères
Ondes Martenot : Françoise Deslogères
Piano : Gilles Bérard
Percussion : Michel Gastaud
Calliope Cal. 9875

3) Ragas - Hommage à René Daumal
Trio Deslogères
Ondes Martenot : Françoise Deslogères
Piano : Gilles Bérard
Percussion : Michel Gastaud
Récitante : Pierrette Germain
Calliope Cal. 9875

1988

Episodes New-Yorkais
Flûte : Patrice Bocquillon
Clarinette : Dominique Vidal
Violon : Marie-Christine Millière
Violoncelle : Jacques Wiederker
Piano : Josette Morata
A.M.V.A. - A.V.A. 881