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Fabien LEVY

Fabien Lévy wurde am 11. Dezember 1968 in Paris geboren. Die Musik erschließt sich ihm zunächst von der praktischen Seite her durch das Klavierspiel, das ihm den Zugang zur klassischen Musik und später zum Jazz eröffnet. Der Sinn für das Instrumentalspiel und die Freude an der Klanglichkeit werden auch noch später einen hohen Stellenwert in seiner musikalischen Sprache einnehmen. Nach anfänglicher Tätigkeit in den Fachgebieten Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, in denen er Diplome erworben hat (Magister an der ENS-Ulm, Promotion an der ENSAE), widmet er sich ab 1994 ganz dem Komponieren, mit dem er als Siebenjähriger begonnen hatte. Am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique studiert er unter anderem Analyse bei Michaël Lévinas und Orchestrierung bei Marc-André Dalbavie; er macht das Kompositionsdiplom bei Gérard Grisey, der ihn bei seiner musikalischen Entscheidungsfindung unterstützt. Aber auch der Unterricht in vergleichender Musikwissenschaft bei Gilles Léothaud hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck. Große Vielseitigkeit kennzeichnet diese Lehrjahre, in denen Fabien Lévy sich von keiner Strömung einnehmen lässt. Er unterrichtet an der Sorbonne, ist künstlerischer Leiter des Projekts „Studio On Line“ des Forschungsinstituts für Akustik/Musik IRCAM und später auch als pädagogischer Berater hier tätig. Als Preisträger der Fondation Singer-Polignac, Teilnehmer am Berliner Künstlerprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD (1 Jahr Forschungsaufenthalt in Berlin 2001) und Stipendiat der Villa Medici in Rom 2003 erarbeitet er an theoretischen Überlegungen gereifte Werke, wobei diese seine Musik nicht beengen, sondern im Gegenteil befreien. 2004 erhält er den Ernst von Siemens Förderpreis, einen der renommiertesten deutschen Preise für junge Komponisten.

Lévys Werk veranschaulicht auf vieldeutige Weise den Musikbegriff als eine dem fruchtbaren Widerspruch zwischen Formuliertem und Nichtbegrifflichem überlassene Denkfigur. Sein stärkstes Merkmal ist die Einführung des Paradoxons als Element der Veränderlichkeit des Musikalischen. Dabei geht es in ästhetischer Hinsicht darum, dass kontinuierlich unterlaufen wird, was sich klanglich wie formal der Wahrnehmung des Zuhörers aufdrängt. Das Werk entzieht sich beständig der Offenlegung seiner Mittel. Es drängt sich dem Zuhörer jenseits aller Verweise auf die unterschwellig wirksamen technischen und theoretischen Parameter auf.
Fabien Lévy nutzt mit großem Einfallsreichtum die verschiedenen Möglichkeiten des Instrumentalspiels. Jede Komposition arbeitet auf ihre Weise an einer Poetik der Klangfarbe. Der Begriff des Klangmaterials und die paradoxe Sorge um das Verhältnis der einzelnen Teile zum Ganzen haben einen ganz zentralen Stellenwert im Projekt des Komponisten. Und wie bei allen Musikformen, deren Antrieb allein durch die Notwendigkeit der Verklärung ihres Gegenstands gegeben ist, konfrontiert uns Lévys Musik mit dem zwingend Offensichtlichen: Ihrerseits kann „Musiksprache“ nur eine Semantik des Übergangs von der flüchtigen Unbeständigkeit des Klangs zur widerhallenden Dichte der Wörter sein. Angesichts einer Musik, die jenseits allen beschreibenden Kontexts und jedweder literarischer Abhängigkeit nur sich selbst ausdrückt, erscheint es demzufolge zwecklos, den „Sinn“ eines Werks anders als mit Analogien aus dem Bereich der Wahrnehmung erklären zu wollen.
So redet der Komponist, etwa um bestimmte Klangaspekte in einem seiner dichtesten Stücke Hérédo-Ribotes für Solo-Viola und 51 Orchestermusiker (wo jeder Spieler als Solist agiert) zu beschreiben, von „Putz“, als handelte es sich um ungeglättetes, umhüllendes Material. Hier wird in einem umfassenden Sinne die Bedeutung des induktiven Empfindens der Essenz des Musikalischen wiedereingeführt. Der Zuhörer muss sich keinem „Vortrag“ im herkömmlichen Sinne mehr beugen, vielmehr wird ihm der Weg zu seinen imaginären Entscheidungen gewiesen: Er kann frei entscheiden, ob er seine Aufmerksamkeit auf Einzelheiten oder das Ganze lenken will, und kann seinen eigenen Weg durch das Werk erfinden – entlang räumlicher Klangereignisse, die einander ablösen wie Ergebnisse einer Berechnung, die sie unvorhersehbar macht.
Wenn die Zufälligkeit in der kompositorischen Verfahrensweise eine Rolle spielt, dann vor allem als ein Phänomen der Wahrnehmung. Tatsächlich ist die Zufälligkeit bei Fabien Lévy, der bis in die kleinste Nuance deterministisch vorgeht, eine Frage der Rezeption und nicht der Produktion. Jedes seiner Werke stellt sich als Lösung für ein neues Klangproblem dar, die unbekannte instrumentale Kombinationen bemüht und dabei – in vielen Fällen mit großer Sparsamkeit – die Fallstricke der Komplexität umgeht.
Im Kosmos des Komponisten nimmt das Saxophon aufgrund der großen Elastizität seines Timbre und der breiten Klangpalette einen privilegierten Platz ein und hat ihn zu sehr unterschiedlichen Werken inspiriert. So Où niche l’hibou, sieben kleinen Lehrstücken für einen jungen Schüler und seinen Lehrer (neben der Version für Altsaxophon existiert auch eine Version für zwei Flöten), die sich durch einen bemerkenswerten spielerischen Einfallsreichtum auszeichnen. Oder L’air d’ailleurs – Bicinium für Altsaxophon und Band. Durch, in memoriam G. Grisey für Saxophonquartett verweist mit seinem Titel in scheinbar prozesshafter Gleichzeitig auf die drei Bedeutungen des Wortes „durch“: die räumliche („hindurch, über – weg“), die modale („mittels“) und die zeitliche (über einen bestimmten Zeitraum hin). Doch die Bedeutungsvielfalt kommt auch akustisch zum Tragen: vom harten Klang des „du“ bis zum winzigen Atemzug des „rch“, der an Griseys Tod gemahnt. Dieses Stück ist „ein vibrierendes Mosaik“, um es mit den Worten des Komponisten zu sagen: Jedes Saxophon vervielfältigt sich zu einer bestimmten Anzahl elementarer virtueller Instrumente, wobei jedes dieser Instrumente von mehreren Saxophonen gespielt wird und diese verschmelzen, was besagtes Klangbild des vibrierenden Mosaiks ergibt.
Ein weiterer Aspekt dieser sehr persönlichen Klangpoesie wird in Les deux ampoules d’un sablier peu à peu se comprennent für verstärkte Solo-Harfe manifest, ein Werk, in dem auch ein transparametrisches Verfahren – Lévy spricht von einer Technik der „Inflexion“, der minimalen klanglichen Modulation oder Beugung – angewandt wird. Wie funkelnde Glöckchen vervielfältigt sich die Harfe zu einer bestimmten Anzahl elementarer virtueller Instrumente (jedes entspricht dabei in etwa einem Saiteninstrument), die verschmelzen und „Inflexionen“ erzeugen. Dem Zuhörer vermittelt sich der Eindruck, dass etwas passiert, analytisch betrachtet weiß er aber nicht warum.
In eine andere Kategorie gehört Risâla fî-l-hob wa fî ’ilm al-handasa [Kleines Traktat von Liebe und Geometrie] für Flöte, Klarinette, Euphonium, Violine und Violoncello, ein Werk, das von den feinen polyphonischen Texturen der „Muqarnas“ (so der Titel des ersten Satzes), den Höhlen nachempfundenen Decken der Alhambra in Granada, inspiriert ist. „Murassa“, so der Titel des zweiten Satzes, bedeutet auf Arabisch „emailliert, eingesetzt, inkrustiert, paillettiert“ usw. Hinter diesen metaphorischen Titeln verbirgt sich ebenfalls die Idee, auf zwei unterschiedliche Weisen das Ziselierte, das Mosaik, das Verhältnis der einzelnen Teile zum Ganzen zu variieren. Wie in mehreren anderen Werken kommt auch hier die Vorstellung der „Beugung“ des Klangs zum Tragen, die auf möglichst umfassende Weise auf das Klangmaterial und die Formgebung des Stücks angewandt wird.
So ansprechend die Kompositionen von Fabien Lévy durch ihre außergewöhnliche Intensität aufgrund ihres großen Erfindungsreichtums auf Anhieb sind, so originell ist auch die ästhetische Position, die er einnimmt. Denn im Gegensatz zum Kontinuum der spektralen Musik zieht der Komponist das Verfahren des Ziselierens vor und umgeht dabei konsequent die Fallstricke des Formalismus.


Joël-Marie Fauquet, Musikwissenschaftler und Forschungsdirektor am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS)

Konzerte

Werke, die komponiert wurden von Fabien LEVY

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Diskografie

> 2018 / Stradivarius STR 37111 - Gérard Grisey / Fabien Lévy
RISALA FI-L-HOB WA FI ‘ILM ALHANDASA (PETIT TRAITE D’AMOUR ET DE GEOMETRIE), pour ensemble instrumental
Prague Modern - Pascal Gallois (direction)