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Pascal Zavaro

Pascal ZAVARO

Wenn man Pascal Zavaro (*1959) fragt, aus welchen Welten sich seine Musik nährt, woraus sie schöpft, wohin sie weist oder wie sie sich erneuert, könnte seine geistvolle Antwort vielleicht lauten, dass ihn das musikalische Gegenstück von Terry Gilliams Brazil total fasziniert. Dass dieser bizarre Film mit seinen ausgeflippten Maschinen und monströsen Rohrteilen uns in Wirklichkeit eine zerrissene und herzzerreißende Menschheit vor Augen führt und dass seine Musik mit ihren energetisch-bissigen Anwandlungen sich darin wiederfindet. Er könnte aber auch Import Export anführen, jenen „sehr harten Film des österreichischen Regisseurs Ulrich Seidl über die Moderne, der aufzeigt, was von einer gespaltenen, aber noch bebenden Menschheit übrig bleibt“. Was die Einflüsse betrifft, ließe sich hinzufügen, dass neben dem Kino auch die Bildhauerei und die Malerei Zavaro schon immer viel bedeutet haben (er wuchs in einer Künstlerfamilie auf, sein Vater Albert war ein berühmter Maler) und dass die häufigen Verweise auf César, Tinguely oder Francis Bacon nicht nur eine Attitüde sind. Von Bacons verzerrten und gestörten Figuren ließ er sich zu Three studies for a crucifixion für Kammerorchester inspirieren; unglaublich, wie bei der Uraufführung im Januar 2004 bei Radio France das Publikum im Saal beim Klang der Blitze und frustrierten Swings in Wallung geriet und es kaum mehr auf den Stühlen aushielt! Ja, Zavaros Musik spricht in erster Linie das Gefühl an, ist greifbar, lässt das Herz pochen – mit seiner Vorliebe für Tänze (hier Anklänge an einen Boogie, dort einzelne Takte eines Mambo …), den stampfenden Rhythmen, den stichelnden Harmonien und sprudelnden Melodien voller Risse und Gefahren. Mag sein, dass diese Musik sich lustig macht über die Welten, die sie beschwört, aber noch mehr kostet sie ihre Erschütterungen aus.
Dass Zavaro das Werk des polnischen Bildhauers Igor Mitoraj fasziniert, sagt viel über ihn aus: „Mitorajs Skulpturen sind Fragmente und muten zwar klassisch an, weisen aber seltsame Einschüsse auf; man hat einen wunderschönen Torso vor sich und entdeckt plötzlich ein Loch an der Stelle des Herzens. Die Werke sind handwerklich perfekt, ihre Ausführung meisterhaft.“ Auch Zavaros Handwerk ist sicher und solide. Die Ausdruckskraft seiner Musik findet er in einem harmonischen, sich selbst behauptenden klanglichen Denken, welches die leicht sterilen Hinterlassenschaften der post-seriellen Musik, selbst wenn er sie gut kennt, in Klammern setzt. Die Musik seiner Kollegen lernte Zavaro kennen, als er in den großen Pariser Orchestern hinterm Schlagzeug saß, „der ideale Platz, um eine Partitur zur Gänze durchzublättern“, wie er erklärt. Hier hat er alles gehört, was er liebte oder verabscheute, und aus diesen Erfahrungen – in praxi – das Beste herauszuholen gewusst. Der junge Instrumentalist wurde nach und nach Komponist: Die erste Partitur, die bei Billaudot erschien, Hommage à K, ist für die Marimba geschrieben, die er virtuos spielt; sie wurde 1991 uraufgeführt.
Zavaros Werdegang als Komponist verlief allerdings nicht auf herkömmlichem Wege, sondern begann mit einer Rockband, die sich in der Kindheit zusammenfand. Und zu Hause gab es nur vier Schallplatten: Bach, Beethoven, Beatles und Piaf. „Das Notenlesen habe ich alleine gelernt, aber sehr spät, so mit fünfzehn. Ich habe mir Schlagzeug und Gitarrespielen selbst beigebracht, mit Lehrbüchern, denn ich wollte partout nicht ans Konservatorium. Die Musik gehörte mir allein, mit Schule hatte sie nichts zu tun.“
Das Spektrum der Einflüsse ist riesig und reicht von den Madrigalisten über Bach und Bartók bis hin zu Strawinsky und den amerikanischen Minimalisten – Steve Reich in erster Linie –, die besonders prägend für seine Arbeit waren. Déjeuner sur l’herbe (2000) ist dafür ein schönes Beispiel. In Silicon Music (1997) wird sein Interesse für elektronische Musik deutlich, aber auch seine Vorliebe für eine pulsierende Musik, dynamische Schwünge und ihre ansteckende Energie, die aus Wiederholungen lebt und aus der Rockmusik schöpft. Für Silicon Music erhielt Zavaro im April 2008 den Grand Prix des Lycéens. Besonders schätzten die Gymnasiasten an diesem Stück, dass man nie im Voraus weiß, wie es in der nächsten Sekunde weitergeht. Es ist wie eine permanente Abfolge neuer Ereignisse, mit Entwicklungen, die sich verzögern und urplötzlich enden. „Unsere Epoche zappt gerne“, kommentiert Zavaro, „und dieses Stück hat etwas von einem Mahlstrom; es ist wie eine Highspeed-Abfahrt im Bob, bei der alles an einem vorbeirauscht, ohne dass man sieht, was passiert.“ In Fiberglass Music (2001) spielt ein Quartett zu einer vorab gefertigten Aufnahme eines Quartetts. Inzwischen scheint diese Phase der elektronischen Musik und des Minimalismus abgeschlossen, heute klingt Zavaros Musik europäischer. In The Meeting (2006) und seinem Cellokonzert (2007) kommen die erneuerten Verfahren und Klangmaterialien, deren Gewebe allerdings nichts von ihrer Spannung und ruhelosen Expressivität verloren haben, perfekt zur Geltung.
Heute zählt Pascal Zavaros Werkkatalog um die sechzig Kompositionen. „Jetzt habe ich den harmonischen Kosmos gefunden, in dem ich mich bewegen will, und jeden Tag entdecke ich darin einen neuen Aspekt.“ Das glaubt man gern. Und man folgt ihm ohne zu zögern.


Jérémie Rousseau

Konzerte

Werke, die komponiert wurden von Pascal ZAVARO

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Diskografie

> 2018 / Maguelone Music MAG 358.420 - Pascal Zavaro : Manga-Café
MANGA-CAFE, opéra pour 5 voix et ensemble instrumental
La Nouvelle Société des Apaches - Julien Masmondet (direction)


> 2018 / Claves Records claves 50-1813 - Pascal Zavaro : Into the Wild
LA BATAILLE DE SAN ROMANO, pour orchestre
PASTORALE, pour hautbois, basson soli et orchestre
INTO THE WILD, pour violoncelle solo et orchestre
LA MACHINE DE TRURL, pour orchestre

Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo - Bruno Philippe (violoncelle) - Julien Masmondet (direction)


2014 / Continuo Classics  CC 777.714 - Songs of Innocence
SONGS OF INNOCENCE, pour violon et chœur
SEUL DANS LE VIDE, pour chœur
Elisabeth Glab (violon) - Mikrokosmos - Loïc Pierre (direction)


2012 / Intégral Classic INT 221.176
ALIA, pour orchestre
DENSHA OTOKO, pour violon, violoncelle et piano
CONCERTO POUR VIOLONCELLE
Élisabeth Glab (violon) - Henri Demarquette (violoncelle) - Vahan Mardirossian (piano)
Orchestre de Pau Pays de Béarn - Fayçal Karoui (direction)


2011 / Saphir LVC 1123
RUSH, pour saxophone alto
Nicolas Prost


2006 / Mandala MAN 5113 - Silicon Music
SILICON MUSIC, pour violon et ensemble
Elisabeth Glab (violon) - Ensemble Phoenix - Pascal Zavaro (direction)
NYLON MUSIC, pour guitare
Alain Rizoul (guitare)
HALLUCINATIONS, pour piano
Vahan Mardirossian (piano)
BACANAL PARA PABLO PICASSO, pour 9 musiciens
Ensemble Phoenix - Pascal Zavaro (direction)


2006 / Radio France - Densité 21 DE 003
FLASHES, pour orchestre
Orchestre National de France - Kurt Masur (direction)
THREE STUDIES FOR A CRUCIFIXION, pour orchestre
Ensemble Orchestral de Paris - John Nelson (direction)
METAL MUSIC, pour ensemble de cuivres et percussions
Orchestre National de France - Gérard Schwarz (direction)
FIBERGLASS MUSIC, pour 2 quatuors à cordes
Quatuor Klimt


2005 / Mandala MAN 5111
SENSATION, pour voix (soprano) et guitare
Soprano : Françoise Masset
Guitare : Alain Rizoul


Primarily A Cappella / PACP 4530.2
DÉJEUNER SUR L’HERBE, pour 8 voix solistes
Swingle Singers



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BIBLIOGRAPHIE



NOUVELLE MUSIQUE, Stéphane Lelong
Édition Balland, 1994